Die Evaluation hatte zur Aufgabe, die ODR anhand von fünf Kriterien zu evaluieren. Zwischen 2007 und 2017 wurden 131 Arzneimittel als Orphan Drugs (OD) für 107 seltene Erkrankungen zugelassen (eigentlich 142, aber 11 wurde wieder zurückgezogen). 22 Medikamente wurden für zwei oder mehr Indikationen und für unterschiedliche Perioden der Marktexklusivität zugelassen – und mit erheblichem Return on Investement (RoI) über sehr lange Perioden. 28% aller OD sind onkologische Medikamente (etwa für Akute Myeloische Leukämie/AML oder Gliome), also in Indikationsbereichen angesiedelt, in denen bereits andere Therapieoptionen verfügbar waren. Der wissenschaftliche Fortschritt im Allgemeinen, Veränderungen auf dem Markt sowie andere Anreizsysteme wie der Orphan Drug Act der USA haben zur Entwicklung dieser neuen Orphan-Medikamente beigetragen. Mittels einer „Korrektur“ dieser Einflüsse könnte ein Entwicklungseffekt von (nur) 22 neuen Arzneimitteln entstehen. Der durchschnittliche Effekt der ODR als Beitrag zur Entwicklung von neuen Medikamenten für seltene Erkrankungen liegt also bei etwa 14%.Obwohl es sich beim Großteil der OD um neue Wirkstoffe handelt, werden sie keineswegs nur in neuen, sondern in den immer gleichen Indikationen zugelassen. Neben dem allgemeinen Trend der „Orphanisierung“ der Medikamente und Indikationen ist der Trend festgehalten, dass große Pharmafirmen nicht selber forschen, sondern die sich in einem späten Stadium befindlichen Entwicklungen von kleinen biomedizinischen Firmen (oft spin-offs von Universitäten) aufkaufen - auch als Strategie des „search and development“ (statt R&D) bekannt geworden.
Die Autor*innen der Evaluation schlussfolgern, dass die Orphan Drug Gesetzgebung nicht effektiv dabei ist, F&E auf tatsächlichen „unmet need“ (ungedeckter Bedarf ist definiert durch Indikationsbereiche, in denen es keine Therapiealternativen gibt) zu lenken, sondern nur dabei Wirksamkeit zeigte, den „off-label“ Gebrauch bereits eingesetzter Medikamente zu reduzieren und immer mehr Therapiealternativen in denselben Indikationen (bei verlängerter Marktexklusivität und Patentschutz!) zu erzielen. Zeitgleich mit der Evaluation wurde eine Studie veröffentlicht, in der die Einnahmen mit Orphan Drugs recherchiert wurden: waren es 2009 noch 3 OD mit über einer Milliarde Einnahmen, waren es 2019 bereits 20 OD. Die Autor*innen dieser BMJ-Publikation bringen es auf den Punkt: „lukrative Gesetzgebung“.
Priv. Doz. Dr. Claudia Wild, Geschäftsführerin der HTA Austria – AIHTA GmbH
Referenzen:
Technopolis (2019): Study to support the evaluation of the EU Orphan Regulation https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/paediatrics/docs/orphan-regulation_study_final-report_en.pdf
European Commission (2020): Joint evaluation of Regulation (EC) No 1901/2006 of the European Parliament and of the Council of 12 December 2006 on medicinal products for paediatric use and Regulation (EC) No 141/2000 of the European Parliament and of the Council of 16 December 1999 on orphan medicinal products. https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/paediatrics/docs/orphan-regulation_eval_swd_2020-163_part-1.pdf
Marselis D/ Hordijk L (2020): From blockbuster to “nichebuster”: how a flawed legislation helped create a new profit model for the drug industry. BMJ 2020; 370:m2983
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) klassifiziert ATMPs in drei Haupttypen: Gentherapeutika und somatisch-zelltherapeutische Arzneimittel sowie Tissue-Engineering Produkte. Die vorliegenden Berichte sollen auf die Fragen eingehen, für welche Indikationen CAR-T Zelltherapien und weitere ATMPs/Gentherapien in Entwicklung sind und bis wann eine Zulassung zu erwarten ist. Zur Beantwortung der Fragen wurde eine systematische Suche in Studienregistern durchgeführt, um in der Entwicklung befindliche Gentherapien und ATMPs zu identifizieren, gefolgt von der Extraktion von Daten über die identifizierten laufenden klinischen Studien, ergänzt durch eine Suche in der EMA-Datenbank über in Evaluation befindliche Medikamente, um diejenigen Therapien zu identifizieren, die bald in Zulassung kommen. Schließlich wurden veröffentlichte Informationen über die Produkte, ihre Indikation und die Patient*innenpopulation gesammelt.
Die Suche identifizierte 32 ATMPs (CAR-T-Zelltherapien und onkologische Indikationen ausgeschlossen) in der späten Entwicklungsphase (Phase 2 oder 3 Studien), die in den kommenden Jahren auf den Markt kommen werden. Die Indikationsgebiete sind eine Vielfalt von genetischen Krankheiten und umfassen acht breite Indikationsgruppen (Hämophilie, Stoffwechsel-, Augen-, Muskel-, Skelett-, Gefäss-, nephrologische, dermatologische und neurologische Erkrankungen). Vier Therapien werden bereits von der EMA evaluiert, fünf werden voraussichtlich Ende 2020 oder 2021 in den Zulassungsprozess eintreten. Zudem wurden 13 CAR-T Zelltherapien in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstatus bei hämatologischen Tumoren identifiziert. Ein dezentraler Herstellungsprozess, der die Verfügbarkeit der CAR-T Zelltherapie mittels allogener CAR-T Zellprodukte erhöht und den zeitlichen Ablauf verkürzt, wird zudem diskutiert.
Nicht zuletzt sind zahlreiche Herausforderungen bei der Bewertung dieser Therapien zu konstatieren: Sie werden oft als "kurative" oder "disruptive" Technologien bezeichnet, obwohl für die wenigen bereits zugelassenen Therapien kaum Langzeitdaten verfügbar sind. Horizon Scanning erscheint hier also besonders relevant, um jene Therapien mit erwiesenem Nutzen zu identifizieren. CW
AIHTA/ AT 2020: ATMP and Gene Therapies in Development, Horizon Scanning. AIHTA Policy Brief Nr.: 006b. http://eprints.aihta.at/1269/
Tirol Kliniken/ AT 2020: CAR T-Cell Therapy Horizon Scanning, EBEU Report No. 11/2020, resp. AIHTA Policy Brief No. 6a. http://eprints.aihta.at/1268/
Mit der Entwicklung der sogenannten zielgerichteten Krebstherapie (z.B. monoklonale Antikörper) ist es in den Krankenhäusern zu einer rasanten Steigerung der Medikamentenkosten gekommen. Die schnelle, teils unkontrollierte Implementierung dieser teuren Krebsmedikamente in die klinische Praxis hat Auswirkungen auf die Arzneimittelbudgets der österreichischen Krankenhäuser. Um Entscheidungsträger*innen rechtzeitig auf neue Technologien vorzubereiten, haben einige Länder sogenannte „Horizon Scanning Systeme (HSS)“ etabliert, welche fünf sequentielle Schritte (Identifikation, Priorisierung, Early Assessment, Dissemination, Monitoring) umfassen.
Um österreichische EntscheidungsträgerInnen auf neue Krebsmedikamente gezielt vorzubereiten, also sowohl zur rationalen Entscheidungsfindung beizutragen als auch die prospektive Budgetplanung zu unterstützen, wurde im Jahr 2008 ein HSS zur Früherkennung und zur Bewertung von neuen medikamentösen Therapiekonzepten in der Onkologie aufgebaut. Im Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2019 wurden insgesamt 91 Assessments zu relevanten Onkologika verfasst. Seit Januar 2020 wurde das HSS aufgrund intensiverer länderübergreifender Zusammenarbeit zwischen HTA Institutionen, wie zum Beispiel durch das Europäische Netzwerk für HTA (EUnetHTA), umgestellt.
Derzeit wird einmal monatlich die Website der EMA nach positiven Beschlüssen des CHMP gescannt. Zu allen medikamentösen onkologischen Therapien mit positivem CHMP-Beschluss – sowohl für solide als auch für hämatoonkologische Indikationen - werden Fact Sheets erstellt. Um weiterhin evidenzbasierte Entscheidungen zu unterstützen, umfassen Fact Sheets einerseits die wichtigsten Informationen zur derzeitig verfügbaren Evidenz (Wirksamkeit und Sicherheit) als auch eine Bewertung des Risk of Bias und des klinischen Nutzens durch die Magnitude of Clinical Benefit Scale der European Society of Medical Oncology (ESMO-MCBS). ER
AIHTA/ AT : https://aihta.at/page/horizon-scanning-in-der-onkologie-berichte/de
Die Basis des Updates 2020 sind zwei bereits publizierte Berichte (2015 & 2018) des AIHTA ehemals bekannt als Ludwig Boltzmann Institut für HTA. Im Zuge des Updates wurde eine umfassende Handsuche in Leitliniendatenbanken, Websites sowie Datenbanken von nationalen und supranationalen Fachgesellschaften durchgeführt. Zusätzlich wurde auch der spezifische Einsatzbereich von PET (Primärdiagnose, Tumor-Grading, Tumor-Staging/Interim-Staging/Re-Staging/Rezidiv Staging, Rezidiv) bei der jeweiligen onkologischen Indikation erhoben. Mittels Handsuche konnten 37 evidenzbasierte Leitlinien identifiziert werden, wobei sich zwölf dieser Empfehlungen explizit gegen den Einsatz von PET aussprechen. Insgesamt wurden 25 onkologische Indikationsbereiche untersucht wovon für vier eine Empfehlung für den Einsatz von PET abgegeben werden konnte und im Falle von weiteren acht eine eingeschränkte Empfehlung. Im Gegensatz dazu wurde für sechs Indikationen keine Evidenz zugunsten von PET-Untersuchungen identifiziert und bei sieben Indikationsbereichen lag keine, zu wenig oder vor allem unschlüssige (kontroverse) Evidenz vor. Somit ergab das Update neun Änderungen hinsichtlich der Gesamtempfehlungen im Vergleich zu den Vorjahresberichten. Zusätzlich wurde eine neue Krebsindikation identifiziert.
In den wenigsten Fällen wird PET als Primär- oder Standarddiagnostik von onkologischen Indikationen empfohlen, vielmehr stellt es einen Teil einer diagnostischen Kette oder eines Behandlungspfades dar. Jedoch sollte die PET Diagnostik nur unter spezifischen Bedingungen eingesetzt werden um eine Überversorgung der Patient*innen zu vermeiden. Insgesamt kann die identifizierte Evidenz von Leitlinien als Anhaltspunkt für Evaluierungen bedarfsgerechter Leistungserbringung österreichischer Krankenhäuser dienen. NG
AIHTA/ AT 2020: Update PET/PET-CT Evidenz zum Bedarf und zur Planung bei onkologischen Indikationen. AIHTA Policy Brief 003. https://eprints.aihta.at/1249/
Der Mobil-O-Graph® misst den peripheren Blutdruck. Der ARCSolver® Algorithmus wiederum (die Kombination wird als Mobil-O-Graph Pulse Wave Analysis (PWA) geführt) berechnet mit Hilfe der Pulswellenanalyse (PWA) den zentralen Blutdruck in der Aorta, die Herzleistung (cardiac output), den peripheren Widerstand, den Steigerungs-Index (augmentation index (AIx)), den Steigerungsdruck (augmentation pressure), den Reflexionskoeffizienten (reflection coefficient) und die Pulswellengeschwindigkeit (pulse wave velocity (PWV)). Diese anerkannten Messparameter dienen zur Erfassung der arteriellen Gefäßsteifigkeit und sollen zu Vorteilen bzgl. Diagnostik und Therapie von Hypertonie bzw. einer verbesserten Risikoanalyse für kardiovaskuläre Erkrankungen führen.
Die systematische Literatursuche ergab 14 Studien (zwischen 27 und 502 Pts., 29-68 Jahre) zur Wirksamkeit der Blutdruckmessung mit Algorithmus, die entweder das kardiovaskuläre Risiko oder die arterielle Gefäßelastizität im Vergleich zu anderen Instrumenten untersuchten. Zum Endpunkt Sicherheit wurden keine Angaben bzw. Studien identifiziert. Die Literatur bzgl. Erkennung und Überwachung von Bluthochdruck bzw. zur kardiovaskulären Risikobewertung wurde als lückenhaft eingestuft, weshalb keine GRADE Bewertung durchgeführt wurde. Zusätzlich erschwerend für einen Vergleich wirkt sich die Anzahl unterschiedlicher Geräte und Algorithmen am Markt aus, die darüber hinaus mit Softwareupdates einer regelmäßigen Veränderung unterzogen werden.
Die technische Effektivität des ARCSolver® ist mit anderen Systemen zur Messung des zentralen Blutdrucks und des AIx vergleichbar. Einige Studien berichten, dass die PWV durch den ARCSolver® im Mobil-O-Graph® leicht unterschätzt wird. Evidenz, dass therapeutische Interventionen oder Patient*innen-Outcomes mittels Anwendung des Mobil-OGraph® mit ARCSolver® im Vergleich zu alternativen Anwendungen verändert werden, konnte nicht identifiziert werden. Weitere Studien zur Diagnoseleistung und zum Bluthochdruckmanagement im Vergleich zu anderen kardiovaskulären Risikobewertungsinstrumenten sind daher erforderlich. OS
Dachverband der österreichischen Sozialversicherung (DVB)/ AT 2020: Die 24-Stunden Blutdruckmessung mittels dem Mobil-O-Graph® Gerät. Die Messung der arteriellen Steifheit mit dem eingebauten ARCSolver® Algorithmus zur Optimierung der antihypertensiven Therapie und der kardiovaskulären Risikobewertung – nationale Adaptierung des Project ID: OTCA-24. https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.738747&version=1599471741
EUnetHTA 2020: The 24-hour blood pressure measurement device Mobil-O-Graph® with the built-in algorithm ARCSolver® to measure arterial stiffness for the optimization of hypertension treatment and assessment of cardiovascular risk. Collaborative Assessment. Diemen (The Netherlands): EUnetHTA; 2020. Report No.: OTCA-24. https://eunethta.eu/wp-content/uploads/2020/07/OTCA24-Final-Assessment-Report.pdf
17./18. November 2020
23. wissenschaftliche Jahrestagung der ÖGPH
"Sozialkapital - Sozialer Zusammenhalt stärkt die Gesundheit"
Graz
https://oeph.at/23-wissenschaftliche-jahrestagung-der-oegph
02. Dezember 2020
14. Symposium zur Integrierten Versorgung
„Sinn oder Unsinn von Anreizsystemen“
Wien
https://www.cciv.at/cdscontent/?contentid=10007.858603&portal=ccivportal
24.-26.Februar 2021
EbM-Kongress 2021
„Who cares? – EbM und Transformation im Gesundheitswesen“
Halle/ Saale
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Ozren Sehic/OS
CW: Claudia Wild
ER: Eileen Rothschedl
NG: Nicole Grössmann
OS: Ozren Sehic